„Vor dem Roten Rathaus tobte am Dienstag die Unkürzbar-Demo. Die Haushaltsverhandlungen stehen vor der Tür, in denen eklatante Kürzungen drohen. Kürzungen, die Hunderttausende Berliner*innen direkt betreffen, darunter Familien, Kinder und Jugendliche, Menschen in Notlagen. Und wir sitzen hier und diskutieren schon wieder über die Prüfung einer Einführung einer Stelle für einen ehrenamtlichen Landesarzt?
Liebe SPD, vor zwei Wochen macht ihr das Thema zur Prio, jetzt scheint die CDU vor der Sommerpause nichts anderes mehr auf dem Zettel zu haben…und macht zum zweiten Mal einen Antrag zur Prio, der nicht im Entferntesten die Probleme der Stadt angeht. Ich sag’s wie’s ist: Das ist Zeitverschwendung vom Feinsten!
Liebe Frau Dr. Wein, aus der Antwort auf die Anfrage[1] von Ihrem Kollegen Zander geht hervor, dass sich die Zahl der unter 29-jährigen, die wegen einer Essstörung stationär behandelt wurden, von 2020-2022 fast verdoppelt hat. Die Wartezeiten bei Dick und Dünn e.V. lagen 2023 bei 4-6 Wochen. Die personellen Ressourcen sind mehr als ausgeschöpft.Jedes siebte Schulkind hat emotionale Probleme, sodass die DAK von einer regelrechten „Mental-Health-Pandemie“[2] spricht. Da frage ich mich, wie lange wollen Sie diesen Hilferuf eigentlich noch überhören?
Wir diskutieren hier, ob bei Dick und Dünn, der einzige Träger in Berlin, der sich in dieser Form mit Essstörungen beschäftigt, zweieinhalb Stellen erhalten bleiben.Sie sind doch selbst mit Dick & Dünn im Gespräch. Und auch Sie haben im letzten Ausschuss die schockierenden Berichte mitgehört. Ich bin mir sicher, das hat Sie nicht kaltgelassen!
Essstörungen haben unter den psychischen Erkrankungen die höchste Mortalitätsrate.Soziale Träger wie Dick & Dünn retten mit ihrer Arbeit also Leben! Anstatt die bereits existierenden Träger zu unterstützen und damit Kindern und Jugendlichen so zu helfen, dass es auch ankommt, soll nun der ehrenamtliche Landesarzt her. Für uns Grüne ist das reine Ablenkung von dem geplanten Kahlschlag von über 20% bei Freier Wohlfahrt und sozialen Trägern. Das trifft am Ende die Bedürftigsten, meine Damen und Herren!
Im Ausschuss haben wir Grüne diesen Antrag bereits aus zwei guten Gründen abgelehnt. Erstens: Wir haben schon zahlreiche Gremien – diese müssen aber auch gehört werden. Lassen wir diese doch erst einmal arbeiten, meine Damen und Herren! Und zweitens: Gerade wenn das Geld rar ist, muss man umso mehr miteinander an einem Strang ziehen:
- In der Gesundheitsverwaltung haben wir die Landesbeauftragte für Psychische Gesundheit.
- In der Sozialverwaltung haben wir die Inklusionsbeauftragte.
Was braucht es für die psychische Gesundheit von Kita- und Schulkindern? Auf jeden Fall KEINEN ehrenamtlichen Landesarzt.
Stattdessen fordern wir eine hauptamtliche Beauftragte für Kinder und Jugendliche, direkt an den Stab der Bildungssenatorin angedockt. So sollte es endlich möglich sein, dass die drei Verwaltungen, Gesundheit, Schule und Soziales, gemeinsam die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen angehen! Lassen Sie uns endlich die 3 Gesetzbücher übereinanderlegen:
- SGB 5 – Gesetzliche Krankenversicherung
- SGB 8 – Kinder- und Jugendhilfe
- SGB 9 – Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Einschränkungen
Liebe Koalition, Sie sind jetzt seit 2 ein halb Jahren am Ruder, da sollten Sie doch in der Lage sein, einen ernsthaften ressortübergreifenden Fahrplan für die psychische Gesundheit junger Menschen zu erarbeiten! Zum Beispiel indem Sie durch Prävention Folgekosten reduzieren oder die PEP-Evaluation abwarten, um tatsächlich bedarfsgerecht zu unterstützen. Oder auch über ein Trägerbudget, um diese endlich aus ihrer Zuwendungsabhängigkeit zu befreien.
Erst kürzen, dann Ehrenamt vorschlagen. Das ist kein Konzept, das ist Zynismus. Kurzum: Machen Sie aus der ehrenamtlichen Landesärztin eine Beauftragte, die im Team Kindern und Jugendlichen unserer Stadt echte Hilfe leisten kann!“